Einführung
Wenn in einem Backtest „Model Quality 99 % / 99,9 %“ steht, ist das nur ein Proxy dafür, wiewohl der Tester feine Kursbewegungen (Ticks) rekonstruiert. Es bedeutet nicht „Gewinngenauigkeit = 99 %“. Nehmen Sie die Zahl nicht wörtlich – beurteilen Sie, ob ein System im echten Handel robust wirkt, anhand der Punkte unten.

Modellierungsmodi (und wofür sie gut sind)

Every tick (real ticks)
Spielt tatsächliche Bid/Ask-Ticks aus der Historie ab. Bildet Spread-Ausweitungen und Dochte besser ab, aber Ergebnisse können je nach Broker/Datenquelle abweichen.
Einsatz: für Ultra-Scalper, bei denen wenige Pips entscheiden.
Hinweis: Viele EAs benötigen diese Präzision nicht.
Every tick (generated from M1)
Erzeugt „synthetische Ticks“ aus 1-Minuten-OHLC. Blitzbewegungen und extreme Dochte werden geglättet, daher schwach für Scalping-Bewertungen.
Einsatz: für eine Grobsicht bei Intraday- bis Swing-EAs.
1-minute OHLC (M1 OHLC)
Entscheidungen nutzen nur Open/High/Low/Close der jeweiligen Minute. Die Reihenfolge der In-Bar-Bewegungen geht verloren.
Einsatz: wenn Ein-/Ausstiege auf ≥ M1 erfolgen und Stops/Targets nicht messerscharf sind.
Open prices only
Bewertet nur den ersten Preis jeder Kerze. In-Bar-Bewegung wird ignoriert, daher werden Stop/Limit, Trailing, feine TP/SL-Logiken schlecht modelliert.
Einsatz: H1+-Systeme, die nur zum Kerzenschluss agieren – grobe Plausibilitätschecks.
Faustregel: Je „scalpiger“ ein EA, desto näher an „Every tick (real ticks)“ sollte modelliert werden. Je swing-orientierter, desto eher reichen für den Erstcheck gröbere Modi.
Spread, Kommissionen & Slippage (die „Realismus“-Schicht)
Spread
Spreads weiten sich bei Nachrichten und dünner Liquidität. Ein fixer Test mit 1,0 Pip ist oft zu freundlich; live ist es häufig schlechter. Bevorzugen Sie breitere Einstellungen und/oder zeitvariable Spreads, um „schlechte“ Fälle abzudecken.
MT5-Setup-Hinweise
- Im Tester neben dem Symbol auf
$(Symbol Properties) klicken, „Use custom symbol settings“ aktivieren und Spread (points) manuell eingeben. - Standard ist floating (historische variable Spreads des Brokers). Diese Historien können ungewöhnlich eng sein; ein manuell breiterer Spread ist sicherer.

Wann greift Ihr manueller Spread wirklich?
- Every tick (real ticks): Im Allgemeinen nicht. Der Tester nutzt aufgezeichnete Bid/Ask (also variable reale Spreads). Für strengere Bedingungen hier: Kommissionen erhöhen und Verzögerung/Slippage hinzufügen.
- Every tick (from M1) / M1 OHLC / Open prices only: Wirksam. Ihr fixer Spread (points) wird genutzt (z. B. zur Ableitung des Ask).
Kommissionen
An das Broker-Schema anpassen (einseitig/round-turn, pro Lot/Nominal, Währung). Fehlen oder Fehler führen zu aufgeblähtem Profit-Faktor (Profit Factor, PF) und Erwartungswert.

Slippage & Ausführungsverzögerung
Tester unterschätzen oft die Slippage gegenüber live. Setzen Sie die Ausführungsverzögerung nicht kürzer als Ihr echtes Server-Ping (ms). Fahren Sie Worst-Case-Szenarien (breitere Spreads, zusätzliche Verzögerung), um zu prüfen, dass der EA stabil bleibt.

Tickdaten-Fallstricke (versteckte Tücken im „99 %“)
- Broker-Unterschiede: Quote-Präzision, Tick-Regeln, Kontraktspezifikationen variieren → Ergebnisse verschieben sich. Tests am tatsächlichen Live-Konto ausrichten.
- Ausreißer/Gaps: Spikes und Wochenend-Gaps bewegen das P/L je nach Behandlung. Auf ungewöhnliche Kerzen achten.
- Zeitzonen/DST: Serverzeit-Wechsel verändern Tagesgrenzen und Wochenschlüsse. Test und Live auf gleicher Zeitbasis halten.
Testzeitraum wählen (kein Cherry-Picking)
- Mix aus Trend/Range und hoher/niedriger Volatilität abdecken.
- Krisen/Schockphasen einbeziehen (COVID, Kriegsschlagzeilen, Flash-Crashes etc.).
- Wenn möglich, lange Spannen (z. B. 10–20 Jahre) prüfen, um Robustheit zu testen.
- Als Stabilitätshinweis auf ≥ 500 Trades mit derselben Logik zielen (ideal ≥ 1 000).
Grenzen der „99 %-Qualität“
- Reale Ausführungseffekte (dünne Bücher, Requotes, Teilausführungen) sind nicht vollständig replizierbar.
- VPS-Latenz, Terminal-Last und manuelle Eingriffe (Stops/Lot-Änderungen) liegen außerhalb des Modells.
Fazit: Behandeln Sie die Backtest-Qualität als Referenz, nicht als Garantie.
Was Einsteiger praktisch tun sollten
- EAs wählen, die nicht an Mikro-Ticks hängen. Extreme Scalper (Edge von 1–wenigen Pips) oder „Docht-sensitive“ Logik hängen zu stark an Modell-Details. Bevorzugen Sie EAs mit längeren Bars, klaren Regeln und positivem Rendite-Risiko-Verhältnis (Risk-Reward, RR) – sie driften live seltener.
- EAs mit verifizierten Live-Ergebnissen bevorzugen. Öffentliches Real-Account-Tracking (z. B. Myfxbook verifiziert). Demos und Backtests sind nur Referenzen.
- Eigene Backtests fahren. Vendor-Tests können auf einen Broker-Feed passen oder Kosten unterschätzen. Mit Ihrer Broker-Konfiguration testen. Wenn ein EA User-Tests blockiert, ist das eine rote Flagge.
- Prüfen, ob sich live das P/L „gleich verhält“ wie im Backtest. Monatlich Trefferquote, Ø-Gewinn/Verlust (RR), Profit-Faktor (PF), max. Drawdown (Max DD) vergleichen. Sie sollten in einer ähnlichen Spanne liegen. Wenn Backtest steigt, live aber nicht, Kosten, Handelszeiten, Broker und Latenz/Ausführung prüfen.
- Unter härteren Bedingungen neu testen. Breitere Spreads, zusätzliche Slippage, News-Fenster ausschließen – sicherstellen, dass der EA nicht kollabiert.
- „Zu perfekte“ Kurven skeptisch sehen. Himmelhoher PF, herausragende Trefferquote, nahezu Null-DD deuten oft auf Grid/Martingale oder Überanpassung hin. Siehe „Optimierungsfallen“.
Zusammenfassung
- 99 %-Qualität = Tick-Rekonstruktion, nicht „99 % Gewinnsicherheit“.
- Aus Nutzersicht ist der sicherste Weg, EAs zu wählen, die weniger tick-sensitiv sind und Real-Account-Forward-Historie haben.
- Behandeln Sie Demo/Backtests als Referenz; verifizieren Sie am Ende, dass Ihr Live-P/L-Muster der Art entspricht, wie der Backtest Geld verdient.
FAQ
Was misst „Model Quality 99 % / 99,9 %“ eigentlich?
Es misst, wie gut der Tester feine Kursbewegungen (Ticks) rekonstruiert. Es ist keine Garantie, dass Gewinne „zu 99 % korrekt“ sind. Nutzen Sie es als Referenz, nicht als Versprechen für Live-Ergebnisse.
Welchen Modellierungsmodus sollte ich für meinen EA wählen?
Für Ultra-Scalper, bei denen wenige Pips entscheiden, Every tick (real ticks) verwenden. Für Intraday- bis Swing-Systeme reichen Every tick (from M1) oder M1 OHLC oft für einen ersten Check. Für H1+-Schlusskurs-Systeme kann Open prices only für grobe Prüfungen genutzt werden.
Gilt der manuelle Spread in MT5 auch für „Every tick (real ticks)“?
Nein. Der Real-Tick-Modus nutzt aufgezeichnete Bid/Ask (variable Spreads). Fixer manueller Spread gilt für Every tick (from M1), M1 OHLC und Open prices only. Um Real-Tick-Tests zu verschärfen, Kommissionen erhöhen und Ausführungsverzögerung/Slippage hinzufügen.
Wie stelle ich Spread, Kommissionen und Slippage realistisch ein?
Eher konservativ: breitere Spreads (oder historische Floating-Spreads plus Puffer), Kommissionen nach Broker-Schema und Währung ausrichten und die Verzögerung nicht kürzer als Ihr echtes Server-Ping. Auch Worst-Case-Szenarien fahren, um die EA-Stabilität zu prüfen.
Warum unterscheiden sich Backtest-Ergebnisse zwischen Brokern oder Datenquellen?
Tick-Präzision, Quote-Filter, Kontraktspezifikationen und Server-Zeitzonen/DST variieren. Das verschiebt Ein-/Ausstiegskurse und die Behandlung von Ausreißern (Spikes, Wochenend-Gaps) – und damit P/L. Tests am Broker/Konto ausrichten, das Sie real handeln.
Wie lang sollte der Testzeitraum sein und wie viele Trades brauche ich?
Gemischte Regime (Trend/Range, ruhig/volatil) abdecken und Stressphasen (Flash-Moves, News-Schocks) einbeziehen. Wenn möglich, 10–20 Jahre Daten nutzen. Als Stabilitätshinweis ≥ 500 Trades (ideal ≥ 1 000) mit derselben Logik anstreben.
Wie prüfe ich, ob sich live die Performance „wie im Backtest“ verhält?
Monatlich Trefferquote, Ø-Gewinn/Verlust (RR), Profit-Faktor (PF), maximalen Drawdown zwischen live und Backtest vergleichen. Sie sollten in ähnlichen Bereichen liegen. Weicht live ab, Kosten, Handelsfenster, Broker sowie Latenz/Ausführung prüfen.
Reichen Demo und Backtests, um einen guten EA zu beurteilen?
Nein. Es sind Referenzen. Bevorzugen Sie EAs mit verifiziertem Real-Account-Forward (z. B. öffentliche Nachverfolgung). Mit Ihren Broker-Settings selbst neu testen; blockiert ein EA Nutzertests, ist das ein Warnsignal.
Welche EAs sind für Einsteiger sicherer?
Systeme vermeiden, deren Edge von Mikro-Ticks abhängt (extremes Scalping oder docht-sensitive Logik). EAs mit längeren Zeiteinheiten, klaren Regeln und positivem RR bevorzugen; sie driften seltener vom Backtest ins Live.